Insbesondere Reizdarmsyndrompatienten mit prädominanter Diarrhoe leiden unter einer hohen Krankheitslast. Dies zeigt unter anderem eine grosse internationale Befragungsstudie auf, die von einem schwedischen Forschungsteam durchgeführt wurde. Die Therapie des Ende erfolgt multi­modal und symptomorientiert. Ein übergeordnetes Ziel besteht darin, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. In der im vergangenen Jahr erschienenen Neuauflage der Reizdarm-Leitlinie wird unter anderem auch der Einsatz von Phytotherapeutika empfohlen.

Unter dem Begriff Reizdarmsyndrom (RDS) werden unspezifische funktionelle Verdauungsstörungen zusammengefasst. Zum typischen Beschwerdebild zählen Bauchschmerzen, Krämpfe, Blähungen und Stuhlgangsveränderungen wie beispielsweise Diarrhö und/oder Obstipation [1]. Die Diagnose des RDS stützt sich auf die Rom-IV-Kriterien(Tab. 1) und auf eine fokussierte gastroenterologische Anamnese unter Einbezug von psychosozialen Gesichtspunkten [2,9]. Die Ätiologie ist multifaktoriell, verschiedene Faktoren werden vermutet oder diskutiert, ohne dass diese sich notwendigerweise im Einzelfall nachweisen lassen [2]. Da die unterschiedlichen Pathophysiologien in der Klinik häufig nicht ersichtlich sind, wird eine multimodale Behandlungsstrategie angewendet [3]. Neben diätetischen Massnahmen und psychosozialen Interventionen, kommen dabei auch symptomorientierte medikamentöse Therapieoptionen zum Einsatz. Es kann ein langwieriger Prozess sein, bis die individuell passende Behandlungsstrategie für einen Patienten gefunden wird. Häufig werden auch Phytotherapeutika eingesetzt, die wissenschaftlich nachgewiesene spezifische Effekte aufweisen. Dass das RDS für Betroffene sehr belastend sein kann, zeigt unter anderem eine Befragungsstudie unter Beteiligung der Universität Göteburg sowie verschiedener Forschungseinrichtungen in Grossbritannien [4].

Online-Befragung: Einschätzungen von RDS-Patienten und Ärzten

Von 8627 gescreenten Patienten haben die Wissenschaftler im Zeitraum 2016 insgesamt 513 Reizdarmpatienten, welche die Inklusionskriterien erfüllten, befragt [4]. Eines der Einschlusskriterien war, dass Durchfall ein Hauptsymptom war. Von den Befragten waren 70% weiblich und das Durchschnittsalter lag bei 40,9 Jahren. Die Studienteilnehmer stammten aus Australien (n=76), Kanada (n=66), Frankreich (n=43), Deutschland (n=80), Italien (n=85), Spanien (n=81) und Grossbritannien (n=82). Alle Teilnehmer füllten einen 30-minütigen webbasierten strukturierten Fragebogen aus. Die Umfrage beinhaltete verschiedene Fragen zum subjektiv wahrgenommenen «Burden of Disease» und zu den bisherigen Behandlungen und Erfahrungswerten der Patienten, sowie zu ihren Erwartungen an die Therapie.

Zusätzlich zur Patientenbefragung wurde eine Umfrage unter Vertretern des Gesundheitswesens durchgeführt. 366 Hausärzte und 313 Gastroenterologen nahmen daran teil.

Schweregrad der Symptome korreliert mit Lebensqualität

Als das beeinträchtigendste Symptom gaben die befragten RDS-Patienten fäkalen Harndrang an (27%) [4] (Abb. 1). Müdigkeit trat an den meisten Tagen pro Monat auf (durchschnittlich an 18 Tagen). Die am häufigsten genannten Komorbiditäten waren Angstzustände (37%), Depressionen (27%) und Migräne (26%). Der häufigste Grund für die Vereinbarung eines ersten Termins mit einem Arzt war die starke Beeinträchtigung der Lebensqualität durch das Reizdarmsyndrom (49%). Weitere Gründe waren die zunehmende Häufigkeit der Symptome (48%), die Sorge um die Dauer der Symptome (44%) und ein zunehmender Schweregrad (42%). In der 2021 aufdatierten S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom wird ein evidenzbasierter Zusammenhang zwischen dem Schweregrad des RDS und der Einschränkung der Lebensqualität aufgezeigt [5,8]. Demzufolge beeinflusst die wahrgenommene Beeinträchtigung der Lebensqualität offensichtlich nicht nur den Umgang mit gastrointestinalen Symptomen, denn auch extraintestinale Symptome werden häufiger berichtet [6,7].

Über die Hälfte der Patienten nehmen mehrere Medikamente ein

Insgesamt 97% der befragten Patienten gaben an, mindestens eine Art von Medikamenten intermittierend oder täglich einzunehmen [4]. 61% der Patienten berichteten, dass sie  täglich oder zeitweise ≥3 Behandlungsarten in Anspruch nehmen. 19% gaben an, täglich Antidepressiva einzunehmen und 73% verwendeten zum Zeitpunkt der Befragung rezeptfreie Medikamente, entweder allein (42%) oder zusammen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten (31%). Am häufigsten eingesetzt wurden Anti­diar­rhoika intermittierend bei 64% und täglich bei 12% der Patienten. Die am häufigsten täglich eingenommenen Medikamente ­waren Antidepressiva (19%), gefolgt von Probiotika (18%). 33% der Befragten gaben an, gelegentlich oder täglich Schmerzmittel auf Kodein­basis einzunehmen. Bei Patienten, die einen Gastro­enterologen aufgesucht hatten, war der Anteil derjenigen, die täglich krampflösende Mittel (14% vs. 15,8%), Gallensäuresequestratoren (5% vs. 1%), Mittel gegen Übelkeit (6% vs. 1%) und Antibiotika (4% vs. 1 %)  einnahmen höher als bei den übrigen Patienten (alle Vergleiche: p<0,05). An der Befragung der Ärzteschaft nahmen 366 Hausärzte und 313 Gastroenterologen teil: Insgesamt 70% respektive 65% stimmten zu, es sei wichtig, dass Patienten mit Reizdarmsyndrom sich unterstützt fühlen und 73% gaben an, dass ihr Hauptziel darin besteht, die Lebensqualität zu verbessern.

Phytotherapie als Bestandteil einer  multimodalen Therapie empfohlen

Gemäss der aktuellen S3-Leitlinie ist ein multimodaler, integrativer Behandlungsansatz am vielversprechendsten [1]. Unter anderem wird auch der Einsatz von pflanzlichen Präparaten respektive von Phytotherapeutika empfohlen. Neben der Verwendung von löslichen Ballaststoffen bei obstipativen und bei Durchfallbeschwerden, gibt die Leitllinie auch für einen Einsatz von STW5* beim Reizdarmsyndrom eine Empfehlung ab, wobei vor allem die Linderung der abdominellen Schmerzen hervorgehoben wird. Klinische Evidenzen für eine Linderung von Reizdarmsymptomen liegen auch für die Kombination aus Pfefferminz- und Kümmelöl vor.

* STW5 ist ein pflanzliches Kombinationspräparat mit alkoholischen Auszügen aus der Frischplanze Iberis amara und Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmel­früchten, Mariendistel, Melissenblättern, Pfefferminzblättern, Schöllkraut und Süsswurzel.

Literatur:

  1. Layer P, et al.: Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie der DGVS und der DGNM, AWMF-Registriernummer 021/016. Z Gastroenterol 2021; 59(12): 1323–1415.
  2. Dolder M, Wilhelmi M, Huber F: Reizdarmsyndrom (Colon irritabile), www.medix.ch/wissen/guidelines/magen-darm-krankheiten/reizdarmsyndrom-co…, (letzter Abruf 02.09.2022)
  3. Frieling T: Funktionsstörungen im Verdauungstrakt und funktionelle Magen-Darm-Erkrankungen, www.arzneimitteltherapie.de/heftarchiv/2017/09/funktionsstorungen-im-ver…, (letzter Abruf 02.09.2022)
  4. Törnblom H, et al.: Understanding symptom burden and attitudes to irritable bowel syndrome with diarrhoea: Results from patient and healthcare professional surveys. United European Gastroenterol J 2018; 6(9): 1417–1427.
  5. Drossman DA, et al.: Severity in irritable bowel syn drome: a Rome Foundation Working Team report. Am J Gastroenterol 2011; 106: 1749–1759.
  6. Levy RL, et al.: Intergenerational trans mission of gastrointestinal illness behavior. Am J Gastroenterol 2000; 95: 451–456.
  7. Whitehead WE, et al.: Learned illness behav ior in patients with irritable bowel syndrome and peptic ulcer. Dig Dis Sci 1982; 27: 202–208.
  8. Drossman D: Functional gastrointestinal disorders: history, pathophysiology, clinical features, and rome IV. Gastroenterology 2016; 150: 1262–1279.
  9. Lacy BE, Patel NK: Rome Criteria and a Diagnostic Approach to Irritable Bowel Syndrome. J Clin Med 2017; 6(11).

Mirjam Peter, M.Sc.

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