Über 30’000 Fachkräfte aus 174 Ländern befassten sich dieses Jahr im Rahmen des ESC-Kongresses in Barcelona mit den Ergebnissen aktueller Forschungen. Die Themen reichten von Prävention über Bildgebung, digitale Gesundheit und künstliche Intelligenz bis hin zu antithrombotischer Therapie, invasiver Kardiologie und COVID-19. Im Mittelpunkt stand jedoch die kardiale Bildgebung, die als Querschnittsdisziplin innerhalb der kardiovaskulären Medizin eine ausserordentliche Bedeutung für die klinische Entscheidungsfindung hat.

Patienten erhalten zur Stabilisierung nach einem Myokardinfarkt in der Regel Thrombozytenaggregationshemmer, lipidsenkende Medikamente, blutdrucksenkende und gefässstabilisierende Präparate. Allerdings nehmen weniger als 50% der Patienten nach einem Herzinfarkt konsequent alle ihre Medikamente ein. Nun konnte eine Studie nachweisen, dass die Präparate in einer Kombinationspille deutlich wirksamer negativen kardiovaskulären Ereignissen vorbeugen, als die separate Einnahme der Medikamente. Die meisten Patienten sind nach einem akuten Ereignis vollständig therapietreu, aber das lässt nach den ersten sechs Monaten nach. In die Studie wurden 2499 Patienten nach dem Infarkt nach dem Zufallsprinzip einer Polypille oder der üblichen Behandlung zugeteilt [1]. Die Polypille enthielt Aspirin (100 mg), den ACE-Hemmer Ramipril (2,5, 5 oder 10 mg) und Atorvastatin (20 oder 40 mg). Die übliche Behandlung lag im Ermessen des behandelnden Arztes. Der primäre zusammengesetzte Endpunkt war Tod durch kardiovaskuläre Ursachen, nicht tödlicher Myokardinfarkt, Schlaganfall oder dringende Revaskularisierung. Die Morisky Medication Adherence Scale wurde verwendet, um die Adhärenz als niedrig, mittel oder hoch einzustufen. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von drei Jahren trat der primäre zusammengesetzte Endpunkt bei 118 (9,5%) Patienten in der Kombinationspillen-Gruppe und 156 (12,7%) in der Gruppe mit üblicher Behandlung auf. Alle vier Komponenten des primären Endpunkts trugen zum beobachteten Behandlungseffekt bei. Aber der bemerkenswerteste Beitrag war der kardiovaskuläre Tod, der bei 48 (3,9%) Patienten in der Polypille-Gruppe und 71 (5,8%) in der Gruppe mit üblicher Behandlung auftrat. Wie vermutet, wiesen die Patienten in der Polypille-Gruppe eine höhere Adhärenz auf als die Patienten in der Gruppe mit der üblichen Behandlung. Durch die Vereinfachung der Behandlung und die Verbesserung der Therapietreue hat dieser Ansatz das Potenzial, das Risiko einer erneuten Erkrankung und kardiovaskulärer Todesfälle weltweit zu senken.

Kardiovaskulärer Schutz durch Statine

Die Statintherapie ist ein wirksames Mittel zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der weltweit häufigsten Todesursache, und wird häufig verschrieben. Es gibt jedoch Bedenken, dass Statine Muskelschmerzen oder -schwäche verursachen können, was einige Patienten dazu veranlasst, ihre Behandlung abzubrechen. Die bekannten Vorteile der Statintherapie bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einschliesslich Herzinfarkten und Schlaganfällen, überwiegen jedoch das leicht erhöhte Risiko von Muskelbeschwerden. Dies geht aus aktuellen Forschungsergebnissen hervor. Bei den meisten Menschen, die ein Statin einnehmen, sind muskelbezogene Symptome wahrscheinlich nicht durch das Medikament verursacht worden. Die bekannten schützenden Wirkungen von Statinen gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen übersteigen bei weitem das leicht erhöhte Risiko von Muskelbeschwerden. Bei 1000 Personen, die ein Statin von mittlerer Intensität einnehmen, würde die Behandlung beispielsweise im ersten Jahr zu 11 im Allgemeinen leichten Episoden von Muskelschmerzen oder -schwäche führen, ohne dass es in den Folgejahren zu einem signifikanten Anstieg kommt. Über einen Zeitraum von fünf Jahren verhindern Statine typischerweise 50 grössere vaskuläre Ereignisse bei Personen mit vorbestehenden Gefässerkrankungen und 25 grössere vaskuläre Ereignisse bei Personen ohne vorbestehende Gefässerkrankungen, wobei eine längere Behandlung einen grösseren Nutzen bringt.

In einer Metaanalyse untersuchte Daten einzelner Teilnehmer, die in gross angelegten randomisierten, verblindeten Doppelblindstudien zur Statintherapie aufgezeichnet wurden [2]. Alle Studien umfassten mindestens 1000 Patienten und eine geplante Behandlungsdauer von mindestens zwei Jahren. Daten zu unerwünschten Ereignissen wurden für alle Teilnehmer an 19 grossen randomisierten Doppelblindstudien zur Statintherapie im Vergleich zu Placebo (123 940 Patienten) und an vier randomisierten Doppelblindstudien zur intensiveren im Vergleich zur weniger intensiven Statintherapie (30 724 Patienten) erhoben. Muskelsymptome wie Schmerzen oder Schwäche traten bei ähnlich vielen Personen in der Statin- und der Placebogruppe auf. Bei mehr als 93% der Patienten, die über Symptome berichteten, waren die Statine nicht die Ursache der Muskelschmerzen. Die Statintherapie erhöhte geringfügig die Häufigkeit, aber nicht den Schweregrad muskelbezogener Symptome. Das geringe erhöhte Risiko für Muskelbeschwerden trat vor allem im ersten Jahr nach Beginn der Therapie auf.

10 Minuten Bewegung a day, keeps the doctor away

Hochbetagte Menschen ab 85 Jahren profitieren von einem 10-minütigen Spaziergang pro Tag [3]. In einer Studie wurde der Zusammenhang zwischen dem Gehen und dem Risiko der Gesamtmortalität und der kardiovaskulären Mortalität bei Erwachsenen im Alter von 85 Jahren und älter untersucht. Die Forscher verwendeten Informationen aus der Datenbank des koreanischen National Health Insurance Service (NHIS) Senior. Die Studie umfasste 7047 Erwachsene im Alter von 85 Jahren oder älter, die sich zwischen 2009 und 2014 dem koreanischen nationalen Gesundheitsscreening-Programm unterzogen. Die Teilnehmer füllten einen Fragebogen zur körperlichen Aktivität in der Freizeit aus, in dem nach der Zeit gefragt wurde, die sie pro Woche mit langsamen Spaziergängen, Aktivitäten von mittlerer Intensität wie Radfahren und zügigem Gehen und Aktivitäten von hoher Intensität wie Laufen verbrachten. Die Teilnehmer wurden in fünf Gruppen eingeteilt, je nachdem, wie viel Zeit sie pro Woche mit langsamem Gehen verbrachten. 4051 (57,5%) Teilnehmer gingen nicht langsam, 597 (8,5%) gingen weniger als eine Stunde, 849 (12,0%) gingen eine bis zwei Stunden, 610 (8,7%) gingen zwei bis drei Stunden und 940 (13,3%) gingen mehr als drei Stunden pro Woche. In der gesamten Studienpopulation übten 1037 (14,7%) Teilnehmer eine mässig intensive körperliche Aktivität aus und 773 (10,9%) eine intensive körperliche Aktivität. Nur 538 Teilnehmer (7,6%) erfüllten die Empfehlungen der Leitlinien für mässige bis intensive körperliche Aktivität. Von den 2996 Teilnehmern, die jede Woche langsam zu Fuss gingen, betätigten sich 999 (33%) auch mässig oder intensiv körperlich. Die Forscher analysierten die Zusammenhänge zwischen dem Gehen, der Gesamtmortalität und der kardiovaskulären Mortalität, nachdem sie den Energieaufwand für mässige bis intensive körperliche Betätigung berücksichtigt hatten. Im Vergleich zu inaktiven Personen hatten diejenigen, die mindestens eine Stunde pro Woche zu Fuss gingen, ein um 40% bzw. 39% niedrigeres relatives Risiko für Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Mortalität.

Rauchen verschlechtert Herzfunktion stärker als gedacht

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisa­tion sterben jedes Jahr mehr als acht Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Das Zigarettenrauchen ist für 50% aller vermeidbaren Todesfälle bei Rauchern verantwortlich, wobei die Hälfte davon auf atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall zurückzuführen ist. Die schädlichen Auswirkungen des Rauchens auf die Arterien und Arterienerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sind allgemein bekannt. Studien haben auch gezeigt, dass Rauchen mit einem höheren Risiko für eine Herzinsuffizienz verbunden ist, bei der der Herzmuskel das Blut nicht so gut durch den Körper pumpt, wie er sollte, weil er in der Regel zu schwach oder steif ist. Dies bedeutet, dass der Körper nicht den Sauerstoff und die Nährstoffe erhält, die er für eine normale Funktion benötigt. Der Zusammenhang zwischen Rauchen und Herzstruktur und -funktion ist noch nicht vollständig untersucht worden. In einer Studie wurde daher untersucht, ob das Rauchen mit Veränderungen der Struktur und Funktion des Herzens bei Menschen ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenhängt und welche Auswirkungen eine Änderung der Rauchgewohnheiten hat [5]. Für die Studie wurden Daten aus der 5thCopenhagen City Heart Study verwendet, in der kardiovaskuläre Risikofaktoren und Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung untersucht wurden. Insgesamt wurden 3874 Teilnehmer im Alter von 20 bis 99 Jahren ohne Herzerkrankung in die Studie aufgenommen. Diese unterzogen sich einer Echokardiografie. Die Forscher verglichen dann die echokardiografischen Werte von derzeitigen Rauchern mit denen von Nichtrauchern, nachdem sie Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte, Diabetes und Lungenfunktion berücksichtigt hatten. Im Vergleich zu den Nie-Rauchern hatten die derzeitigen Raucher dickere, schwächere und schwerere Herzen. Mit zunehmenden Raucherjahren wurde weniger Blut gepumpt. Es konnte festgestellt werden, dass aktives Rauchen und die Anzahl der Packungsjahre mit einer Verschlechterung der Struktur und Funktion der linken Herzkammer verbunden sind. Ausserdem entwickelten diejenigen, die das Rauchen fortsetzten, über einen Zeitraum von 10 Jahren dickere, schwerere und schwächere Herzen, die weniger in der Lage waren, Blut zu pumpen, als diejenigen, die nie geraucht hatten oder in dieser Zeit mit dem Rauchen aufhörten.

Kongress: European Society of Cardiology (ESC) Congress 2022

Literatur:

  1. Fuster V, et al.: A polypill strategy in secondary prevention: results of the SECURE trial. Hot Line Session 1. 26.08.2022
  2. Baigent C, et al.: CTT meta-analysis of the effects of statins on muscle symptoms. Hot Line Session 9. 29.08.2022.
  3. Jin MN, et al.: Association of usual walking with mortality in oldest old adults aged 85 years and older: a nationwide senior cohort study. ePoster. 28.08.2022
  4. Holt E, et al.: The effects of smoking on cardiac structure and function in a general population. ePoster. 26.08.2022.

CARDIOVASC 2022; 21(4): 30–31

Konfigurieren

Leoni Burggraf

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