Bei einigen Patienten entwickelt sich nach der akuten Phase einer Covid-19-Infektion eine chronifizierende Symptomatik. In den von verschiedenen Fachgesellschaften herausgegebenen S1-Leitlinien zu Long-Covid wird dies aus interdisziplinärer Perspektive beleuchtet. Covid-assoziierte Hautveränderungen oder Haarausfall sind nach heutigem Kenntnisstand selbstlimitierend, bei entsprechendem Leidensdruck wird zu einer symptomgerichteten Therapie geraten.
Bei Long-Covid/Post-Covid handelt es sich um ein noch junges Krankheits- respektive Beschwerdebild, dessen Einordnung sich in einem dynamischen Stadium befindet [1]. In der englischsprachigen Fachliteratur sind auch die Bezeichnungen «post-acute sequelae of Covid‑19», «Chronic Covid Syndrome» oder «Covid‑19 long-hauler» gebräuchlich. In der S1-Leitlinie von Koczulla et al. 2021 wird Long-Covid/Post-Covid folgendermassen definiert: «Die Erkrankungen mit dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) werden als Covid-19 bezeichnet. Hiervon ist insbesondere die Lunge betroffen, doch können auch andere Organe befallen sein. Bei ungefähr 10% der Erkrankten halten die Beschwerden länger als vier Wochen an. Dieser Zustand wird als Long-Covid bzw. Post-Covid bezeichnet. Ob es sich bei dem Long-/Post-Covid-Syndrom um eine eigenständige Erkrankung handelt, ist noch unbekannt» [2]. Als zeitliches Kriterium wird das Vorhandensein von Symptomen über 4 Wochen nach Erkrankungsbeginn hinaus genannt (Kasten, Abb. 1) [1,3]. Es können unterschiedliche Organsysteme betroffen sein. Ursachen für die subakuten und chronischen Manifestationen sind noch ungeklärt. Es werden verschiedene Mechanismen, wie funktionelle Einschränkungen multipler Organsysteme durch Gewebeschädigung, sowie eine postvirale Autoimmunität diskutiert [5]. Die Angaben zur Häufigkeit von Long-Covid Problematik variieren in der Fachliteratur abhängig von der Datenquelle respektive der jeweils untersuchten Studienpopulation (z.B. zuvor hospitalisierte Personen, nicht-hospitalisierte und gemischte Samples) [1]. Dass auch jüngere Patienten mit mildem Krankheitsverlauf betroffen sein können, zeigt eine web-basierte Umfragestudie, in welcher über die Hälfte der 30–60-jährigen Befragten mit geringen Risikofaktoren, vier Monate nach einer vermuteten oder nachgewiesenen Covid-19-Erkrankung anhaltende Covid-Symptome hatten, welche Anzeichen für Schädigungen an mehreren Organen einschliessen [7,8].
Covid-assoziierte Hautmanifestationen sind auf grosses Interesse gestossen, wie eine Google Trend-Analyse zeigt. Gemäss der Leitlinie von Koczulla et al. berichten bis zu einem Viertel der Patienten über Hautveränderungen nach durchgemachter Covid-19 Infektion [2,9–12].
Was ist über Hautveränderungen nach einer Covid-Infektion bekannt?
Das Spektrum der Symptome ist relativ heterogen und reicht von makulopapulösen und Livedo reticularis/racemosa-artigen Hautläsionen über urtikarielle und Erythema multiforme-ähnliche bis hin zu varizelliformen Hautveränderungen [2]. Es wurden auch sogenannte Covid-Zehen beobachtet, welche vor allem bei jüngeren und kaum symptomatischen Patienten auftreten. Es handelt sich dabei um bläuliche, kissenartige Verdickungen über den kleinen Zehen- und Fingergelenken, die einer Pernio- bzw. Chilblain-Läsion sehr ähnlich sehen, häufig aber asymmetrisch und scharf begrenzt sind, wobei der lokale Nachweis von SARS-CoV-2 oft nicht gelingt [13,14]. Aus einer Analyse eines US-amerikanischen Registers dermatologischer Manifestationen von Covid-19 geht hervor, dass bei 7 von 103 Patienten mit Frostbeulen die Pernio-Läsionen über 60 Tage persistierten (Kasten) [15]. Ausserdem wird in bis zu 25% der Fälle über vermehrten Haarausfall der sich über Wochen bis Monate nach Infektion erstreckt, berichtet [17]. Gelegentlich wurden überdies Hyperästhesie sowie Rhagaden und Exsikkosen der Hände (im Sinne eines toxischen Handekzems) beobachtet [18,19].
Was gilt es bezüglich Diagnostik zu beachten?
Besteht der Verdacht auf eine Covid-19-assoziierte Hautstörung ist zunächst ein akuter respektive ein durchgemachter Infekt nachzuweisen. Allerdings schliesst ein negatives Ergebnis eine Assoziation nicht aus. Neben SARS-CoV-2 ist es sinnvoll, eine medikamenteninduzierte Genese auszuschliessen [20,21]. Ausserdem sollte man bedenken, dass es eine verschärfende Wechselbeziehung zwischen Covid-19 und chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen wie der Psoriasis und dem Systemischen Lupus erythematodes gibt, welche durch pro-inflammatorische Zytokine und autoimmune Reaktionen geprägt sind [10]. Insbesondere bei Patienten mit immunsupressiver Behandlung ist die fachspezifische dermatologische und gegebenenfalls auch rheumatologische Abklärung empfehlenswert [22–24].
Was besagen die pathophysiologische Konzepte?
Analog zu Autoimmunerkrankungen wird bei Long-Covid eine T‑ und B‑Zell-Dysregulation angenommen [1]. Histologisch finden sich teilweise Hinweise auf thromboembolische/thrombotische Ereignisse in kleinen Hautgefässen, denen vermutlich viral-geladene Antigen-Antikörper Immunkomplexe zu Grunde liegen (z.B. perivaskuläre lymphozytäre Infiltrate oder ein intradermales Ödem) [11,25–28]. Im weiteren Verlauf kann sich eine fibrosierende Umwandlung des dermalen Gewebes entwickeln [29]. Acetylcholinesterase 2 (ACE2) wird von epidermalen und follikulären Keratinozyten, dermalen Fibroblasten, vaskulären Endothelzellen in der Haut exprimiert und die Expression korreliert mit Entzündungsparametern wie natürlichen Killerzellen, zytotoxischen T-Zellen und B-Zellen [30]. Bezüglich Livedo reticularis/racemosa und Vasculitis wird ein Zusammenhang mit dem Hyperkoagulabilitätsstatus bei Covid-19 vermutet [16].
Symptomgeleitete Behandlung empfohlen
In der S1-Leitlinie von Koczulla et al. wird darauf hingewiesen, dass die meisten Hautläsionen, die im Zusammenhang mit Covid-19 beschrieben wurden, spontan und ohne spezifische Behandlung in wenigen Wochen abheilen [2]. Bei Patienten mit einem behandlungsbedürftigen Befund, wie zum Beispiel quälendem Juckreiz oder entstellenden Läsionen, wird zu einer symptomgerichteten Behandlung geraten. Hierzu können beispielsweise Antihistaminika oder kühlende und abdeckende Externa sowie läsional und lokal kurzzeitig anzuwendende Kortikosteroide eingesetzt werden. Bei Exsikkosen wird die Anwendung rückfettender und feuchtigkeitsspendender Externa empfohlen. Lassen sich die Symptome nicht unter Kontrolle bringen und bei hautdestruktiver Entwicklung (z.B. Nekrosen) ist eine fachspezifische Überweisung in Erwägung zu ziehen. Gibt es Hinweise auf psychische Belastung in Zusammenhang mit den Hautläsionen (z.B. ausgeprägte Entstellungsbefürchtung bei Haarausfall, zwanghaftes Waschen der Hände) kann eine psychosomatische Co-Betreuung sinnvoll sein. Die Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass sich nach einer gewissen Zeit voraussichtlich eine vollständige Remission der Hautveränderungen und des Haarverlusts einstellen wird. Haare wachsen zyklisch, Erkrankungen und Stress können zu reversiblen Störungen führen (Kasten) [2].
Literatur:
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DERMATOLOGIE PRAXIS 2022
Mirjam Peter, M.Sc.